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„Kommen Sie rein, wir haben offen!“ So nehmen Einzelhändler ihre Geschäfte in der Region Paris wieder auf

 Kommen Sie rein  wir haben offen   So nehmen Einzelhändler ihre Geschäfte in der Region Paris wieder auf

Seit dem 11. Mai hat Frankreich seine Wirtschaft wieder geöffnet, und Einzelhandelsgeschäfte nehmen ihre Aktivitäten wieder auf. Wie sieht das Einkaufserlebnis jetzt in einer Post-Covid-Ära aus? Alle Augen richten sich auf die Modehauptstadt, um besser zu verstehen, wie einige der renommiertesten Modemarken ihren Mitarbeitern und Kunden Gesundheits- und Schutzmaßnahmen garantieren und gleichzeitig hochwertige Kundenerfahrungen aufrechterhalten.

Gesundheitsschutz im Ladeninnern

Bei ihrer Wiedereröffnung sind Einzelhändler aufgefordert, „Abläufe zu steuern“ und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu gewährleisten. So sind etwa fortan Masken obligatorisch, wenn Abstände nicht eingehalten werden können. Um diese neuen regulatorischen Maßnahmen zu erfüllen, kündigten die Galeries Lafayette an, die Anzahl gleichzeitig anwesender Kunden zu begrenzen und den Besucherstrom mit separaten Ein- und Ausgängen zu organisieren, damit mindestens 10 Quadratmeter auf eine Person kommen. Es wurden auch andere Maßnahmen ergriffen: Maskenpflicht für Kunden und Mitarbeiter, hydroalkoholisches Gel, Bodenmarkierungen zur Einhaltung von Abständen, und die Installation von Plexiglasfenstern an den Kassen.

Ähnliche Maßnahmen traf Le Printemps, der Konkurrent und Nachbar der Galeries Lafayette. In Einkaufszentren von Unibail-Rodamco-Westfield (etwa Vélizy 2, Parly 2 und Ulis 2) gibt es vergleichbare Systeme, aber das Tragen einer Maske ist dort nur empfohlen.

Was Umkleideräume betrifft, so erstellte die National Clothing Federation einen Leitfaden für bewährte Praktiken. Dort empfiehlt sie, jede Umkleidekabine nach der Benutzung durch einen Kunden zu desinfizieren und Kunststoff- statt Stoffvorhänge zu verwenden. Weiterhin empfiehlt sie eine mindestens vierstündige Quarantäne für nicht gekaufte Kleidung. Viele Geschäfte haben bereits beschlossen, diese empfohlene Dauer auf 24 Stunden zu erhöhen.

Tediber, ein französisches Start-up, das den Markt für Bettwaren revolutioniert, betreibt seinen Concept Store „The Night Club“ im Pariser Stadtteil Marais. In einem Interview von Knight Frank für eine Studie zum französischen Einzelhandel erklärte Julien Sylvain, Gründer von Tediber, wie sehr die Marke daran interessiert sei, die geforderten Anstrengungen zum Schutz von Mitarbeitern und Besuchern zu respektieren. Neben der Anbringung von Schildern, die Kunden zum Tragen einer Maske und zur Verwendung hydroalkoholischen Gels auffordern, willigte Tediber darin ein, die Anzahl gleichzeitig anwesender Kunden auf vier Personen (bei einer Fläche von 60 m²) zu begrenzen und Ladenwege auf jeweils eine Laufrichtung zu beschränken. Außerdem wurde die Mitarbeiterschaft in zwei Gruppen aufgeteilt, die nicht miteinander interagieren.

Für den Test unserer Waren verwenden wir Einweglaken (und unsere Verkaufsassistenten wechseln sie). Wir haben auch die Häufigkeit der Reinigungen erhöht und bis auf Weiteres Klimaanlage und Heizung ausgeschaltet. Der Warenfluss ist kein großes Problem, da die Mehrheit unserer Kunden ihre Waren nicht sofort mitnehmen, sondern einen Liefertermin wählen.

Julien Sylvain , Gründer von Tediber

Innovative Lösungen einbringen, um mit Kunden in Kontakt zu bleiben

Da die Geschäfte für zwei Monate geschlossen werden mussten, konnten Marken, Einzelhändler und Wiederverkäufer, die über digitale Lösungen verfügten oder solche neu einführten, ihre Geschäfte und den Kontakt zu ihren Kunden aufrechterhalten.

Galeries Lafayette konzipierte ein neues Online-Einkaufserlebnis namens „Exclusive Live Shopping“, ein personalisierter Einzelhandelsservice im Live-Video mit dem Schwerpunkt Luxusmarken. Kunden können sich von einem Einkaufsberater oder Markenbotschafter via Videokonferenz beraten lassen und bequem (und sicher) von Zuhause aus ein maßgeschneidertes, einzigartiges Einkaufserlebnis genießen. Um den neuen, über alle Medien erhältlichen Omnichannel-Service umzusetzen, arbeiten die Galeries Lafayette mit GoInStore zusammen, einem britischen Start-up, das durch die Plattform für innovativen Einzelhandel Lafayette Plug and Play beschleunigt wurde.

Wir glauben fest an den Omnichannel-Handel, und die beispiellose Situation, die wir gerade erlebt haben, veranlasste uns dazu, zu zeigen wie flexibel und kreativ wir sein können. Unser Ziel ist klar: das, was wir in unserem Flagship-Store am Boulevard Haussmann anbieten, möglichst vielen Menschen außerhalb des Geschäfts zugänglich zu machen.

Alexandre Liot , Direktor der Galeries Lafayette Haussmann

Montaigne Market beschleunigt nach der Ankündigung des Lockdowns den Start seiner Shopping-Websites. Dieser Luxury Fashion Shop und Concept Store wartete 15 Jahre bis zum Sprung ins Digitale. Die Gründerin erklärte gegenüber fashionnetwork, warum sie sich letztendlich dazu entschloss:

Wir haben bis 2020 gewartet, weil das Internet ein eigener Beruf ist. Angesichts der unsicheren Zeiten, in denen wir leben, sowie der Tatsache, dass die Menschen weniger reisen und die Straßen von Paris aufgrund der ständigen sozialen Bewegungen leer sind, wurde die Internetpräsenz einfach zu einem zentralen Punkt. Als familiärer strukturierter Betrieb warteten wir so lange, bis wir für dieses neue Abenteuer bereit waren.

Liliane Jossua , Gründerin von Montaigne Market

Als Digital Native Vertical Brand litt Tediber in der Krise nur geringfügig unter Einbußen. Nichtsdestotrotz mussten sie ihren Lieferservice auf kontaktlose Lieferungen umstellen und konnten diese Abläufe in jüngerer Zeit bei Rücksendungen im Großraum Paris anwenden.

Zunehmende digitale Kapazitäten brachten aufseiten der Kunden auch einen besseren und schnelleren Zugang zum Kundendienst. Manche Luxusmarken wie Dior beschlossen, es den Kunden zu ermöglichen, direkt über Telefon oder SMS mit dem Verkaufspersonal einen Termin auszumachen, während andere den üblicheren Service Klicken-und-Abholen bevorzugten. Einzelhändler erkunden außerdem alternative Zahlungsmethoden und ermuntern zu kontaktlosem Bezahlen. Um Letzteres zu erleichtern, haben die französischen Banken die Grenze für kontaktloses Bezahlen auf 50 Euro angehoben.

Die digitale Transformation französischer Einzelhandelsmarken fördern

Modemarken, die keine digitalen Lösungen boten, waren stärker von der Krise betroffen. Die Fédération Française du Prêt à Porter Féminin (Französischer Verband für Konfektions-Damenbekleidung), welche die Branche seit mehreren Jahren auf die Notwendigkeit hinweist, zur Digitalisierung überzugehen, hat ein neues Programm ausgearbeitet, um die digitale Wirkung von 70 französischen Modemarken zu verstärken. Finanziert wird das Programm von der Unternehmensorganisation DEFI, die die Entwicklung und Wandlung der französischen Mode- und Bekleidungsindustrie fördern und beschleunigen soll.

Da die Erholung des Einzelhandelssektors schrittweise erfolgen wird und noch einiges unklar ist, was die nächsten Messen und Showrooms betrifft, haben wir uns diesen Plan ausgedacht, um die für das Überleben unserer Unternehmen notwendige Omnichannel-Strategie zu begleiten.

Pierre-François Le Louët , Vorsitzender der Fédération Française du Prêt à Porter Féminin

Das als Plan für digitale Erweiterung bekannte Programm zielt darauf ab, sechs digitale Probleme zu entschärfen, die als Hindernisse bei der Entwicklung von Modemarken und Einzelhändlern identifiziert wurden:

  1. Abonnement bei einer B2B-Plattform: CRM, Plattform für automatisiertes E-Mail-Marketing
  2. Digitalisierung von Kollektionen: Lösungen für die Bildverarbeitung, erweiterte und virtuelle Realität oder Video
  3. Erstellung und Optimierung einer Website für E-Commerce
  4. Digitalstrategie und -marketing
  5. Beitritt zu einer E-Commerce-Delegation
  6. Listung auf digitalen Marktplätzen

Über 20 digitale Partner waren bereit, ihre Tarife zu senken oder einen bestimmten Service kostenlos anzubieten. Darunter auch einige Unternehmen, die von Choose Paris Region bei ihrer Expansion in Frankreich begleitet wurden, etwa JOOR, Smartzer, Uppler und Hubspot.

Marken entwickelten massiv E-Commerce-Websites für die breite Öffentlichkeit, verwendeten aber gleichzeitig noch bis vor kurzem Papier und Bleistift, um in Showrooms Bestellungen zu notieren ... Diese Pandemie ist schrecklich, aber in gewisser Weise drängt sie den Berufsstand mit dem Rücken zur Wand und provoziert dadurch einen großen Schritt nach vorne.

Kristin Savilia , Geschäftsführerin von JOOR in Les Echos

Touristen: ein Schlüsselelement für die Erholung des Einzelhandels

Von den 50,1 Millionen Touristen, die die Region Paris im Jahr 2019[1] besuchten, kauften mehr als die Hälfte langlebige Waren. Fast 60 % von ihnen kamen aus dem Ausland, darunter die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Spanien, Italien und Deutschland[2]. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die durch die weltweite Pandemie notwendig gewordenen internationalen Reiseverbote für den Einzelhandel ein harter Schlag waren.

In einem Interview mit Les Echos erklärte Nicolas Houzé, Hauptgeschäftsführer der Galeries Lafayette und des BHV/Marais, dass das Unternehmen sowohl unter behördlichen Schließungen als auch unter dem Ausbleiben der Touristen in Paris stark litt. Ausländische Kunden machen die Hälfte der Verkaufszahlen des Geschäfts am Boulevard Haussmann aus. Er schätzt, dass dem Konzern im Jahr 2020 die Hälfte seines Umsatzes, also 1 Milliarde Euro, verloren gehen wird. Man kann sich vorstellen, wie sehr die Wiedereröffnung ersehnt wurde, auch wenn bei vorerst ausschließlich französischer Klientel und den höheren Betriebskosten aufgrund der neuen Sicherheitsmaßnahmen der Gewinn für einige Zeit abstürzen dürfte. Um diese Verluste einzudämmen, arbeiten die Filialen der Kette bei ihrer Wiedereröffnung mit etwas engeren Öffnungszeiten, die weniger Personal erfordern.

Mit 223 Einkaufszentren und 16 großen Kaufhäusern ist es für die Region Paris entscheidend, als Nummer eins unter den weltweiten Luxus-Shopping-Reisezielen für den gesundheitlichen Schutz und die Sicherheit ihrer Käufer erfolgreich Sorge zu tragen und die Zukunft ihrer Einzelhändler zu sichern. Das Einkaufserlebnis befindet sich in einem rasanten Wandel und die Digitalisierung steht im Mittelpunkt jeder neuen Strategie für das Kundenerlebnis.

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Lola Legros

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